Württ. Kunstverein Stuttgart Ausstellungseröffnung 13.3.2020 => Verlängert bis mindestens zum 10. Mai 2020.
Es gibt nämlich kaum Orte in den Städten, an denen GEMEINSAME UND ÖFFENTLICHE TRAUER möglich ist.
Alexander Kluge
2017 widmete der Württembergische Kunstverein dem Schriftsteller, Filmemacher und Theoretiker Alexander Kluge eine große Einzelausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Kunstzentrum La Virreina Centre de la Imatge in Barcelona entstanden war. Bereits damals spielte die Musik eine zentrale Rolle, ein Aspekt, der mit dem neuen Projekt, eine Ausstellungsreihe, die parallel an drei verschiedenen Standorten stattfindet – in Stuttgart, Ulm und Halberstadt – vertieft wird.
Gefragt wird nach der Rolle der (spätestens) im 17. Jahrhundert entstandenen Oper als ein heutiger „Tempel der Ernsthaftigkeit“ (Kluge): als ein Ort, an dem Ernst, Trauer und Freude zum Ausdruck kommen und Verluste angemessen betrauert werden können. Bei der Ausstellung im Kuppelsaal des Stuttgarter Kunstgebäudes handelt es sich um eine Gesamtinszenierung, die eine neunteilige Videoinstallation mit Fragmenten eines Bühnenbildes von Anna Viebrock und weiteren Elementen verbindet. Katharina Grosses atomisch kleines „Kino“ (atopic cinema) erscheint in einer Collage von Alexander Kluge. Ein Auszug von Lászlo Moholy-Nagys Leben als Kanonier wird von Zeichnungen des jungen Stuttgarter Künstlers Ivan Syrov begleitet.
Die drei Standorte
Unter dem Titel Die Macht der Musik liegt im Museum Ulm der Schwerpunkt auf den historischen Wurzeln der Oper. In Halberstadt, der Geburtsstadt Kluges, findet ein Ausstellungs-, Musik- und Filmprojekt unter dem Titel Halberstädter Brennpunkte statt. Es ist eng mit der ersten Begegnung Kluges mit der Oper verknüpft, die mit der Erfahrung des Dritten Reichs, der Bombardierung Halberstadts am 8. April 1945 und dem Kriegsende verbunden ist (Frühling mit Weißen Fahnen). In diesen Zusammenhang gehört aber auch das Projekt in der Halberstädter Moses-Mendelssohn-Akademie, das sich der Trauerarbeit in Opern von jüdischen Komponisten oder mit jüdischen Themen findet (Jacques Fromental Halévy, Giacomo Meyerbeer, Jacques Offenbach, Der Golem von Eugen d’Albert und die Wurzeln jüdischer Musik im Talmud, wie sie Gershom Scholem beschrieben hat).
Die Stuttgarter Inszenierung setzt unter dem Titel Oper: Der Tempel der Ernsthaftigkeit bei der in direkter Nachbarschaft des Württembergischen Kunstvereins liegenden Staatsoper und deren herausragender Rolle für die moderne Oper, die sich seit der Ära des Intendanten Klaus Zehelein stetig verstärkt hat, an. Es geht in der Ausstellung um die Frage, ob und in welcher Formation der historische Stoff der Oper, der tiefe Atem der Geschichte, der ihr so unwiderruflich eingehaucht zu sein scheint, Gegenwartsbezug behaupten kann. Die Prozesse der Moderne und der Aufklärung sind verletzbar. „Der große Vernünftige fällt in voller Rüstung“ (Alexander Kluge). Das Ausstellungsprojekt und Alexander Kluge erinnern hierzu an die „Intelligenz der Gefühle“. Ihr Biotop ist eine intakte Öffentlichkeit, zu der die Musik ebenso gehört wie die freie Meinung. Solche Öffentlichkeit kann helfen, „einen Gegenalgorithmus gegen die Macht des Faktischen und die Übermacht des Objektiven herzustellen.“
Weitere Stationen
Museum Ulm und Kunsthalle Weishaupt, Ulm
20. Oktober 2019 - 19. April 2020
www.museumulm.de / www.kunsthalle-weishaupt.de
Gleimhaus Halberstadt, Moses Mendelssohn Akademie und andere Ausstellungsorte
10. November 2019 - 09. April 2020